Zukunftsszenario
Künstliche Natürlichkeit
In diesem Szenario werden neue Technologien genutzt, um in ein ausgewogenes Wechselspiel mit der Natur zu gelangen und ihr zu helfen, sich an unseren schnelllebigen Lebensstil und die damit verbundenen Veränderungen – z.B. die Folgen des Klimawandels – anzupassen. Der Fokus liegt dabei auf artifizieller, also künstlicher, Natur. Biotechnologische Entwicklungen haben es ermöglicht, natürliche Prozesse der Natur nachzuahmen oder sogar zu verbessern, um sie widerstandsfähiger zu machen. Diese Ansätze der Verkünstlichung von Natur dienen als Lösungen für unterschiedliche Probleme: Landflächen werden von der wachsenden Bevölkerung für Wohnraum und andere Infrastrukturen gebraucht, fehlen dadurch aber für den Anbau von Nahrungsmitteln – deren Bedarf ebenfalls wachsen wird.

Wenn das große Problem ist, dass die Nutzflächen knapper werden, warum nicht die bereits benutzten und versiegelten Flächen zur Nahrungsmittelproduktion verwenden? Diese Zukunftsvision findet sich unter dem Schlagwort Urban Farming und denkt die Stadt als Agrarfläche. Angefangen bei lokalen Stadtgärten bis hin zur Begrünung ganzer Fassaden und Hochhausdächern. Bekannt als Vertical Farming werden Hochhäuser und Lagerhallen zu modernen Anbauflächen. Die Erzeugnisse werden direkt in der Stadt produziert und der Kunde kann sie vom Erzeuger kaufen.

In Zukunft bekommt ein Farmer in Berlin Mitte oder im Münchner Schwabing per App eine Bestellung und nach der Anbau- und Wachstumszeit von ein paar Wochen kann der Kunde sich den Ertrag direkt beim Erzeuger abholen.

Die Stadt wächst zusammen, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie wird zum kleinen Dschungel, an den Fassaden wachsen die verschiedensten Pflanzen und wenn man Lust auf eine Erdbeere hat, öffnet man das nächste Fenster und pflückt sich eine vom Fensterrahmen.
Wohnblöcke werden zu Selbstversorgern und autarken Einheiten in der Stadt. Sogenannte Bio-Hubs werden auf Pilzmyzelbasis gebaut, einem Baustoff, der aus Pilzen gewonnen wird. Die Lebensmittelabfälle der Wohneinheiten werden wiederaufbereitet und für die Produktion von leicht abbaubaren Plastikartikeln verwendet. Auf den Straßen vor den Häusern werden Parkplätze abgeschafft und durch CO₂-Farmen ersetzt – schnellwachsende Grünflächen, die das CO₂ in der Stadt speichern. Stadtquartiere sind über ein Netz aus Bio-Hubs verbunden. Diese Leitungen sichern die autarke Selbstversorgung und ermöglichen darüber hinaus einen Handel zwischen den Einheiten.
Doch nicht nur in den Städten finden die Ansätze der künstlichen Natürlichkeit Anwendung. Auch die vermeintlich unberührten Bereiche unserer Umwelt, wie die Wälder, Moore oder Meere, brauchen Unterstützung, um weiterhin bestehen bleiben zu können. Durch den schnellen Wandel des anthropogenen Klimawandels können sich die bestehenden Ökosysteme nicht auf natürliche Art und Weise an die neuen Umstände anpassen. Hier muss der Mensch nachhelfen, um zu verhindern, dass diese Ökosysteme sterben.

Das neue Berufsfeld der Ökosystem-Restaurator:innen ist eine Mischung aus Landschaftsarchitekt:in und Geo-Engineer.

Das sehen wir zum Beispiel bei Korallenriffen. Hier sind künstliche Lösungen notwendig, um die abgestorbenen Strukturen von Korallenriffen zu stabilisieren. Baustoffe werden von Unterwasserrobotern kilometerweit verlegt, um den Korallen als Gerüste zum Wachsen zu dienen. So gelingt es geschädigten Ökosystemen durch künstlich geschaffene Strukturen wieder mehr Stabilität zu geben.